Autor: Markus Lesweng Verlag: CONBOOK, November 2019 Umfang: 192 Seiten, Softcover, 21.5 x 14 cm ISBN: 978-3-95889-303-0 Preis: 19.95 Euro, 20.60 Euro (A), 29.80 CHF

„Jetzt ist schon wieder was passiert […] Weil natürlich Ironie des Schicksals, daß sich die Selbstmörder immer die schönsten Abgründe aussuchen. Das ist genau wie mit dem Eiffelturm, wo die Franzosen oft ein paar hundert Kilometer reisen, nur damit sie sich hinunterstürzen können. Belgier, Holländer, Deutsche auch Eiffelturm. Aber bei den Deutschen teilt es sich schon, und sagen viele, Humboldt-Terrasse bietet mir mehr Qualität, und die Sprache kann ich auch.“ – Wolf Haas, „Silentium!“ über Salzburg.
Markus Lesweng bietet in seiner Fortsetzung zu 56 finale Destinationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz all jenen an, deren Reisen die deutschsprachigen Horizonte nicht überschreiten. Denn kreatives Ableben mit Aussicht, das geht schließlich auch zuhause.
In How to Kill Yourself daheim fährt der Autor gewohnt schwarzhumorig-süffisant ein Potpourri gefährlicher Reiseziele für Leichtsinnige auf: Vom vergleichsweise harmlosen Tiroler Kuhangriff über Killerviren im Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems nahe Rügen, bis zur maximal fatal-steilen und berüchtigten Eiger-Nordwand in der Schweiz.

Seinen „Atlas“ beginnt Lesweng erneut mit einer Karte zu Beginn des Buchs und bewertet die Orte nach den drei Faktoren Spannung, Gefahr und Familienfreundlichkeit auf einer Skala von eins (nich so) bis fünf (ganz dolle).
In den Alpen finden sich dabei die spektakulären Absturzziele, von der Gletscherspalte des Aletsch, dem Ausrutscher am Matterhorn, Seilriss hin zum Felssturz sowie die verwandten Todesursachen durch Lawinen, Canyoning und Skiunfälle. Wen Höhenangst oder andere Neurosen von diesen Arten des Abgangs verschonen, der kann in Österreich Braunbären (oder Kühe) nerven und in der Schweiz gibt’s ne Chance auf Tsunami durch den Triftgletscherseeli in Gadmen. Wer gern ganz auf Gebirge verzichtet, etwas Geduld mitbringt und den Weltuntergang ein paar Nanosekunden früher erleben möchte, der setze sich in der Genfer Altstadt in ein Café und warte auf das Schwarze Loch durch „die geilste Maschine der Welt“, den Large Hadron Collider im CERN. Oder das Loch in seinem Geldbeutel.

Die deutsche Auswahl kommt vergleichsweise weniger idyllisch und spektakulär daher. Klar, der Tauchunfall im Blautopf, der hat was. Wenn man am Nürburgring im Geschwindigkeitsrausch die Kurve nicht kriegt, das erfreut den Motorsportfan oder wer sich am Funtensee in Berchtesgarden, dem deutschen Kältepol den Hintern abfriert oder gleich in den Königssee plumpst, der hat zumindest eine Aussicht. Vielleicht steht der ein oder andere auch tatsächlich auf hochgiftige DDR-Altlasten oder schläft sich den Oktoberfest-Rausch nicht mehr aus. Doch wer möchte ernsthaft in die Feinstaub-Metropole Stuttgart, den Masern-Ground-Zero im Berliner Prenzlauer Berg, Crystal Meth in Chemnitz konsumieren, einen LKW-Unfall auf der A2 oder Clan-Kriminalität hautnah in Duisburg-Marxloh erleben? Ansonsten wird’s auch gleich politisch: Da gibt es Haue von Links im Hamburger Schanzenviertel, Haue von Rechts in Thüringen und Terror in Dinslaken-Lohberg.

Warum also in der Ferne sterben, liegt ein spektakulärer Tod doch auch so nah! Oder zumindest eine Zugfahrt nach Süden entfernt.
Hat kichernd in diesem Atlas geschmökert und wartet noch auf den Anruf zu ihrer Alpen-Ballonüberquerung: Sonja.
Eine Leseprobe gibt es hier beim Verlag: PDF.