George Orwells 1984 – 3 Graphic Novels im Vergleich

Eines meiner absoluten Lieblingsbücher ist George Orwells Dystopie 1984.
Der Roman liegt seit 2021 auch als Graphic Novel vor – und zwar gleich drei Mal bei unterschiedlichen Verlagen:

© Splitter / Ullstein / Knesebeck

Natürlich bin ich nicht unbelastet in diesen Buchvergleich gegangen: So habe ich Michael Radfords gelungene Verfilmung (Gedreht und veröffentlicht: 1984!) mehrfach gesehen und verbinde die Haupt-Charaktere Winston Smith, Julia und O’Brien mit den Darsteller/innen John Hurt, Suzanna Hamilton und Richard Burton aus der Kinoadaption…

Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.
George Orwell

Mein erster Kontakt mit der gezeichneten Fassung war der Band aus dem Splitter-Verlag.
Dieser hält sich eng an die literarische Vorlage, auch wenn die Hauptfiguren etwas anders aussehen, als ich sie mir bisher vorgestellt hatte.

© Splitter

Die gezeichnete Geschichte ist ebenso wie die literarische Vorlage in drei Hauptkapitel aufgeteilt:

  1. Einführung in Winstons Alltag
  2. Die Zeit mit Julia
  3. Folter, Gehirnwäsche und Heilung

Alle wichtigen Schlüsselszenen aus dem Buch finden sich auch in dieser Graphic Novel:

  • Nachbarskinder, Spüle der Nachbarin
  • Sex mit der alten Frau im Arbeiterviertel
  • Erinnerungen an Winstons Kindheit
  • Antiquitätenhändler (Notizbuch, Koralle im Glas)
  • Julias Kontaktaufnahme
  • Gedicht „Oranges and Lemons…“
  • Im Zimmer mit Julia
  • Folter durch O’Brien
  • Gehirnwäsche

Die Zeichnungen sind zwar farbig – überwiegend im grün-blauen Bereich – wobei dunklen und sehr dunklen Töne überwiegen, was sehr gut zur Stimmung von 1984 passt. Die englischen Texte von Plakaten und Bildschirmen hat man nicht lokalisiert, es wird vor der Geschichte darauf hingewiesen. Unterm Strich finde ich diese Adaption sehr stimmungsvoll und gelungen.

Hier kann man sich Seiten des Buches ansehen.


Als Zweites las ich den Band aus dem Knesebeck-Verlag:
Diese Grapic Novel hat nur etwa die Hälfte der Seiten der beiden anderen Kandidaten. Sie übernimmt deshalb an einigen Stellen weniger Schlüsselszenen aus dem Roman und geht weniger auf Details ein. So vermisse ich beispielsweise den Kauf der gläsernen Koralle, die bei der Verhaftung der beiden Liebenden eine Rolle spielt…

Blättert man durch, bemerkt man schnell, dass die Geschichte nicht in die drei Kapitel ihrer Vorlage aufgeteilt wurde, sondern durchgehend in einem Rutsch erzählt wird. So gesehen macht der Zusatz „Nach George Orwell“ auf dem Cover durchaus Sinn…

© Knesebeck-Verlag

Der Zeichenstil ist durchgehend schwarz/weiß/grau. Einzig die Schäferstündchen von Winston und Julia wurden in zarten Farben gemalt, weiterhin sind wenige Gegenstände farblich hervorgehoben. Von den Charakteren gefällt mir die Darstellungen des O’Brien mit Riesenbrille, Rauschebart und alberner Kappe gar nicht. Unterm Strich ein Art Light-Version des Romans.

Hier kann man einen Blick ins Buch werfen.


Und schließlich erreichte mich der Band aus dem Ullstein-Verlag:
Hier hat mir spontan gefallen, dass die gezeichnete Geschichte nicht nur in die drei Hauptkapitel des Buches unterteilt ist, es werden sogar die jeweiligen Unterabschnitte der literarischen Vorlage übernommen:

© Ullstein

Diese Adaption bietet am meisten Lesespaß (oder Lesearbeit für reine Graphic Novel-Fans), da sie spürbar mehr Texte als die beiden Kokurrenten enthält: So werden neben den vielen Texten im Comic selber auch lange Passagen aus Goldsteins Buch sowie die grammatikalischen Regeln des Neusprech auf überwiegenden Textseiten bereitgehalten. Diese Verbeugung vor dem Original hat mich sehr beeindruckt.
Die farbliche Gestaltung mit meist grau/blau/rötlicher Dominanz ist gelungen.
Unterm Strich die Umsetzung, die sich besten am Original orientiert.

Zur Leseprobe geht es hier.

Freiheit bedeutet die Freiheit, zu sagen, dass zwei und zwei vier ist.
Winston Smith.

FAZIT: Letztendlich ist es Geschmackssacke, welcher Graphic Novel von 1984 man den Vorzug gibt. Ich persönlich finde die Ausgaben von Splitter und Ullstein am besten, wobei die Zweite durch vielen Texte noch näher am Original ist. Der Knesebeck-Band ist mir zu dünn, sowohl vom Umfang als auch der Umsetzung her.


Verlag

Splitter

Ullstein

Knesebeck

Erschienen 4-2021 9-2021 2-2021
Autor/in Sybille Titeux de la Croix Fido Nesti Jean-Christophe Derrien
Zeichner/in Amazing Ameziane Fido Nesti Rémi Torregrossa
Originalausgabe Französisch Englisch Französisch
Übersetzung Harald Sachse Michael Walter Anja Kootz
Gedruckt in Deutschland Lettland Lettland
Lettering Dialoge: Versalien
Rest: normal
Versalien Dialoge: Versalien
Rest: normal
Preis 29.80 € 25 € 22 €
Preis E-Comic 14.99 € 22.99 €
Ausstattung, Umfang Hardcover,
232 Seiten
Hardcover,
224 Seiten
Hardcover,
128 Seiten
Größe 27.9 x 20 cm 26.9 x 20.2 cm 25.9 x 20.3 cm
ISBN 978-3-96219-102-3 978-3-550-20087-8
978-3-95728-468-6
Illustrationen Farbig Farbig S/W, wenig Farbe

 

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