Autoren: D&AD Verlag: TASCHEN, September 2018 Umfang: Hardcover, 14 x 19,5 cm, 544 Seiten ISBN: 978-3-8365-6850-0 Preis: 15 Euro

Nur fünf Prozent derer, die deine Seite anschauen, lesen überhaupt die Headline. Weitere fünf Prozent davon lesen letztlich den Fließtext. Wenn Sie also bereits dies hier lesen: Meine Glückwünsche! Sie haben es ganz schön weit gebracht. Das schafft nicht jeder!
Diese Zahlen nennt Copywriter Dave Trott (und hat sie sich vermutlich ausgedacht), um zu fragen: Für wen schreiben wir Copytexte? Ja, für wen schreibe ich diese Zeilen? Vielleicht für diejenigen, die sich fragen was bitte schön „Copy“ bedeutet? Kennen Sie Don Draper? Copy ist der englische Begriff für einen Werbetext und der Texter ist ein Copywriter – kein Dichter, kein Literat, aber durchaus ein Wortakrobat.
Jetzt liest nur noch die kleine Gruppe, die sich fürs Copywriting interessiert. Und wenn dem so ist, dann kennen Sie alle doch sicher bereits „Die Bibel der Kreativdirektoren“? Jenes im Jahre 1995 von D&AD erstmals veröffentlichte Buch über die Kunst des Werbetextens. D&AD, das steht für die englische gemeinnützige Stiftung Design and Art Direction, die alljährlich einen bedeutenden Branchenpreis vergibt. Dieses Original erlangte Kultstatus und erzielte angeblich auf eBay Fanpreise. Es beinhaltet einen Essay von je 32 Werbetexten (David Abbott, Steve Hayden u.a.) zu ihrer Arbeitsweise, gefolgt von einigen Beispielen ihrer Werke. 2011 erschien eine aktualisierte Ausgabe, die nochmals 16 Branchenprofis ergänzt. Die vorliegende Edition des D&AD. The Copy Book umfasst nun 53 Werbetexter und ist in der kompakten und erschwinglichen Reihe Bibliotheca Universalis bei TASCHEN erschienen.

In diese Reihe passt „D&AD. The Copy Book“ als Nachschlagewerk hervorragend, denn sein Inhalt wirkt heute zwar charmant und durchaus noch lehrreich, jedoch auch reichlich angestaubt. Trotz der Erweiterung auf weitere Autoren bezieht sich der große Teil des Inhalts auf Presseanzeigen. Die meisten Texter befassen sich mit „Body Copy“ (dem Fließtext), der heute eher der Vergangenheit angehört, kommt diese Kunst zumindest im Umfang der Beispiele aus dem Buch doch nur noch selten zum Einsatz. Heute geht es u.a. um Guerilla Marketing, Social Media und andere Formen des Digitalen. All das findet hier höchstens am Rand Erwähnung.

Amüsant auch die Erwähnung von Susie Henry, wie wenig Frauen es in die ursprüngliche Ausgabe des Buchs geschafft haben, und dass sie hoffe, die neue Edition würde helfen, das auszugleichen. Dem ist nicht so. Nichtsdestotrotz finden sich, neben einigem Blabla über Stifte, in den Essays der Autoren einige Weisheiten, die Textern sicher auch heute noch bei ihrer Arbeit behilflich sein können, und allen anderen einen Einblick in Funktionsweise der Werbung gewähren. Glückskekssprüche braucht niemand, jedoch ist es stets spannend, Profis ihr Handwerk erklären zu lassen. Denn mit Ideen und Worten überzeugen, das muss jeder – und nicht nur Werber – auch heute noch.

Das handliche über 500 Seiten starke Buch ist in deutscher Sprache erschienen. Es hätte jedoch nicht zwingend übersetzt werden müssen, sollte der Leser des Englischen doch mächtig sein, um auch die unzähligen Anzeigen zu verstehen. Die deutschen Bildbeschreibungen nennen zwar Kunden, Agentur und Jahr, doch vielmals wünscht man sich eine detailliertere Beschreibung über die Entstehungsgeschichte, die auch nicht durchweg in den Essays zu finden ist. Vielleicht ist das eine Idee für eine neue Ausgabe, eine Fortsetzung des Copy Books, welches sich ganz den Textern der vergangenen 20 Jahre widmet.
Hat nichts zu verkaufen, aber dieses Buch gelesen: Sonja.