The Story of Art without Men – Große Künstlerinnen und ihre Werke

Originaltitel: The Story of Art without Men  Autorin: Kathy Hessel, Marlene Fleißig/Astrid Gravert/Gabriele Würdinger/Maria Zettner (Übersetzung)  Verlag: PIPER, Oktober 2022  Umfang: Hardcover, 512 Seiten  ISBN: 978-3-492-05944-2   Preis: 32 Euro, 29.99 Euro (E-Book)

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Blättert man diverse Kunstbücher durch, sind Frauen stets in der spürbaren Minderzahl. Denn bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts galten sie – bis auf wenige markante Ausnahmen wie Artemisia Gentileschi, Camille Claudel oder Georgia O’Keeffe – eher als Randerscheinungen und waren meist nur als Modelle gefragt. Dieses wunderbare Buch – die deutsche Ausgabe ist gerade bei Piper erschienen – beweist, dass diese Sichtweise total einseitig ist.

Die britische Autorin Katy Hessel (* 1994, Webseite) ist Kunsthistorikerin, Radiosprecherin, Kuratorin und Podcasterin. Auf Instagram präsentiert sie seit 7 Jahren täglich eine Künstlerin. Gerade ist ihr erstes Buch The Story of Art Without Men in Großbritannien zum Waterstones Book of the Year 2022 gekürt worden: Jedes Jahr stimmen die Buchhändler/innen von Waterstones, dem führenden Filial-Buchhändler Großbritanniens, über die Bücher ab, die sie ihren Kunden am liebsten empfohlen haben.

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In der Einleitung erzählt Hessel, welche Gedanken sie im Jahr 2015 bei einer Kunstmesse bewegten:

Keines von den vielen Werken dort stammte von einer Frau….
Konnte ich spontan 20 Malerinnen aufzählen? Zehn vor 1950? Irgendeine vor 1850? Nein. Hatte ich die Geschichte der Kunst im Grunde bis dahin immer aus einer männlichen Perspektive betrachtet? Ja. (Seite 9)

Sie fand, dass man das nicht so stehen lassen darf und schrieb das vorliegende Buch The Story of Art without Men (= Die Geschichte der Kunst ohne Männer). Der Titel Ihres Werkes ist dabei an die „Bibel der Kunstgeschichte“ von Ernst Gombrich angelehnt. Denn dessen langjähriges Mammutwerk Die Geschichte der Kunst enthält auch in der aktuellen 16. Auflage nur eine einzige Künstlerin, namentlich Käthe Kollwitz.

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Beim ersten schnellen Durchblättern des Buches – mit kurzen Stopps bei Abbildungen – hatte ich bereits die ersten Aha-Momente: Denn das farbige Gekleckse rechts unten war kein Action-Painting von Jackson Pollock, sondern von einer mir unbekannten Künstlerin namens Janet Sobel. Und das streng geometrische Gitter mit Farbfeldern, welches ich ohne Zögern Piet Mondrian zugeordnet hätte, stammte von Marlow Moss

Ich werde Euer Erlauchten Lordschaft zeigen, was eine Frau fertigbringt
(Artemisia Gentileschi, 7. August 1649)

Katy Hessel hat ihr Buch in 5 Hauptkapitel unterteilt:

  1. Wegbereiterinnen (1500 – 1900)
  2. Das Moderne an der Kunst (1870 – 1950)
  3. Nachkriegsfrauen (1945 – 1970)
  4. Inbesitznahme (1970 – 2000)
  5. Die Kunstgeschichte wird weitergeschrieben (2000 – Gegenwart)
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Sie arbeitet sich chronologisch durch die Epochen der Kunstgeschichte und zeigt auf, warum Frauen aus sozialen, politischen und anderen Gründen es stets schwer hatten, als Künstlerin arbeiten zu können oder gar akzeptiert zu werden.

Der fehlende Zugang zu Bildung verschärfte noch einmal die bestehenden Klassenschranken, die für Frauen besonders gravierend waren. Während Jungen aus unteren Schichten zum Lernen in die Lehre gegeben werden konnten, handelte es sich bei den meisten Künstlerinnen um Töchter von Malern oder wohlhabenden, aufgeklärten Adligen.

Nach den gut lesbaren Texten, die auf nahezu jeder Doppelseite mit mindestens einer Abbildung ergänz werden, erfreuen diese Zugaben die Leserschaft:

  • 3 Zeitleisten mit Einträgen vom 12. bis ins 21. Jahrhundert (siehe oben)
  • Anmerkungen und bibliografische Angaben
  • Ein Abbildungsverzeichnis mit Standorten der Kunstwerke

The Story of Art without Men – Große Künstlerinnen und ihre Werke hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt: Die Kunstgeschichte muss wegen dieses empfehlenswerten Buches nicht neu geschrieben werden. Es wird aber trotzdem Zeit, die männliche Perspektive durch eine geschlechtsneutrale Sichtweise zu ersetzen. Katy Hessels Buch ist dabei eine ganz wichtige Veröffentlichung. Und unterhaltsam und informativ ganz nebenbei…
Für mich eines der Kunstbücher des Jahres 2022.


Ein Interview mit der aber sowas von gut gelaunten und fachkundigen Katy Hessel:

5 Kommentare zu „The Story of Art without Men – Große Künstlerinnen und ihre Werke

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