Autor: Frédéric Chaubin Verlag: TASCHEN, April 2021 Umfang: Hardcover, 26 x 34 cm, 416 Seiten, deutsch/englisch/französisch ISBN: 978-3-8365-8501-9 Preis: 50 Euro

„Form follows function“ ist ein Designprinzip des Modernismus. Doch nichts drückt den Leitsatz „Die Form folgt der Funktion“ aus wie eine mittelalterliche Festung mit ihren Ausmaßen und radikalen, oftmals schlichten Grundformen. Sie sind Vorläufer des Brutalismus und heute ebenso anachronistische Monumente.
Anders jedoch als die architektonischen UFOs aus Sowjetzeiten, die der Fotograf Frédéric Chaubin in seinem Vorgänger-Projekt CCCP (zum Artikel) festgehalten hat, droht ihnen kein baldiger Abriss. Mittelalterliche Burgschlösser sind in dieser Hinsicht allesamt Trutzburgen, widerstandsfähig haben sie die Jahrhunderte überdauert.
„Stone Age“, so prangt es auf der großformatigen XL-Ausgabe des neuen architektonischen Bildbands von Chaubin im TASCHEN-Verlag. Monumentale Bauten sind nur in einem Buch vorstellbar, das man nur mit zwei Händen zu halten vermag. Auf über 400 Seiten sind mehr als 200 steinerne Zeitzeugen aus 21 Ländern zu entdecken. Die Karte zur Übersicht befindet sich auf Seite 54/55 am Ende der Einführung. Ein Lesebändchen wäre praktisch gewesen, um diese Doppelseite nicht regelmäßig suchen zu müssen. Sie offenbart, dass Chaubin die meiste Zeit in Westeuropa zugebracht hat, mit einer Vielzahl französischer und spanischer Festungen.

Aus Deutschland finden sich lediglich zehn Bauwerke bei Chaubin:
- Burg Eltz, die auch die Rückseite des prächtigen Bands ziert
- Burg Falkenstein im Harz
- Die Grimburg der Erzbischöfe von Trier
- Burg Hohenzollern als reine Randnotiz einer im 19. Jahrhundert wiederaufgebauten Burg als Spätmittelalterfantasie
- Das romantische Schloss Irmelshausen aus Franken
- Burg Kriebstein in Sachsen
- Die Biotürme Lauchhammer einer Kokereianlage aus den 1950ern mit ihrer mittelalterlichen Anmutung als Skizze
- Burg Lichtenberg aus Rheinland-Pfalz
- Die charmante ehemalige Zollstation im Rhein: Burg Pfalzgrafenstein
- Burg Querfurt in Sachsen-Anhalt
In „Stone Age“ gibt es neben bekannten europäischen Sehenswürdigkeiten wie der Festungsstadt Carcassone in Languedoc oder Castle Stalker im schottischen Loch Linnhe auch unbekanntere Burgschlösser bzw. ihre Ruinen zu bewundern. Highlights sind die in einer steilen Felswand errichtete Höhlenburg Predjama in Slowenien, die romanische Templerburg Almourol am Tejo in Portugal, die spanische Backsteinburg Coca mit ihrem maurisch inspiriertem Mauerwerk, Châteaudun wächst aus einer Klippe und die Wolkenfestung Amberd in Armenien aus dem 9. Jahrhundert.

Für die mit einer Linhof-Fachkamera aufgenommene Sammlung ist der Fotojournalist fünf Jahre durch Europa gereist. Das Ergebnis ist ein Bildband, der eine fotografische Studie sowohl des Verfalls als auch der Beständigkeit zeichnet, wie eine Burg sich ihrer Landschaft anpasst. Chaubin nutzt den Hintergrund eines Bauwerks, um eine Atmosphäre zu schaffen, die geheimnisvoll und zugleich mit klaren Linien fotografisch zu erzählen versucht. Er zieht dabei den Zauber authentisch mittelalterlicher Bauten oder Ruinen den romantisch „kaputt restaurierten“ Schlössern vor.
Ein schönes Loblied auf den dramatischen Minimalismus monumentaler mittelalterlicher Mauern – ein Game of Stones.
Den Band gelupft und durchgeguckt hat Sonja, die sich sehr gefreut hat, dass ihr Favorit, Eilean Donan Castle, den Ehrenplatz des Inhaltsverzeichnisses schmückt.