CCCP. Cosmic Communist Constructions Photographed

Autor: Frédéric Chaubin  Verlag: TASCHEN,  2021  Umfang: Hardcover, 14 x 19.5 cm, 448 Seiten, deutsch/englisch/französisch  ISBN: 978-3-8365-6505-9  Preis: 16 Euro

© TASCHEN

Ist das schön oder kann das weg? Die Abrissbirne schwingt seit Jahren: Insbesondere in ehemaligen sowjetischen Staaten geht es den Betongiganten des Brutalismus an den Kragen. Die Symbole der kommunistischen Vergangenheit sollen verschwinden. Diese stillen Zeitzeugen schweben in modernen Städten wie außerirdische Fremdkörper. Grau in Grau, zerfallender und beklemmender Beton, kalt und seelenlos in nicht selten bizarren Formen widersetzen sich diese architektonischen UFOs jeglicher Harmonie und verbreiten eine Atmosphäre des Verfalls. Gleichzeitig sind sie monumentale und außergewöhnliche Beispiele innovativer, optimistischer Architektur mit einer eigenwilligen melancholischen Schönheit untergegangener Größe.

Der französische Publizist Frédéric Chaubin ist zu diesen grandiosen Relikten brutaler Ästhetik von Kaliningrad bis Bischkek gepilgert und hat sie in CCCP. Cosmic Communist Constructions Photographed festgehalten. Dieser 2011 veröffentlichte Band liegt nun bei TASCHEN in der kompakten, günstigen und dreisprachigen Reihe Bibliotheca Universalis vor.

Ein Buch, das bei Christopher Nolan oder zumindest seinem Location Scout ohne Zweifel im Regal steht. Wer „Tenet“ gesehen hat, der weiß spätestens jetzt, dass Nolan Beton mehr liebt als Menschen. Und da ist dann auch schon Linnahall aus Tallin auf S. 104ff., das „Kiev Opera House“ aus der Eröffnung des Films.

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90 Gebäude aus 14 Ländern auf rund 450 Seiten: Nach einer Einführung teilt Chaubin seine poetischen Aufnahmen in fünf thematisch-funktionale Abschnitte:

  • Entertainment and Culture
  • Science and Technology
  • Sports and Youth
  • Health and Resorts
  • Rites and Symbols

Denn in den poststalinistischen Monolithen aus den siebziger und achtziger Jahren erkennt man anders als in jenen Gebäuden aus den Zwanzigern und Fünfzigern keine Trends oder Schulen. Sie sind chaotisch, vielfältig und beschwören dabei eine progressive Zukunft, die so nicht eingetreten ist – wie ein sozialistisches Tomorrowland, ein fiktives Utopia eines Systems in seinem letzen Aufbäumen. Sie kündigen in ihren massigen Blöcken, teils einfachen und einfarbigen Texturen aus Stein und Stahl, die mit jüngerem Datum immer extravaganter werden, das Ende der Sowjetunion an.

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Chaubins Aufnahmen fangen den beeindruckenden Bombast hervorragend ein. Selbst Leser, die jene brutalistischen Bauwerke bisher als Schandflecke betrachtet haben, müssen bei der Lektüre umdenken und werden sich ihrer Mannigfaltigkeit nicht entziehen können und ihre Highlights auswählen. Sei es das Archäologische Museum in Tiflis, der Solarschmelzofen Solnze in Usbekistan, die umgebaute Wintersportanlage im Nordkaukasus, der Zeremonienpalast von Schewardnadse, der Park des Erinnerns in Kiew oder das sich auf dem Titelbild des Buchs befindliche Sanatorium Druschba in Jalta. Das Pentagon und die Türkei hielten das Gebäude fälschlicherweise für eine Raketenabschussrampe.

CCCP macht einfach Spaß beim Durchblättern und Kennenlernen teils eher unbekannter Orte. Ein Muss für alle, die sich für eine fast vergessene Epoche der Architektur interessieren.

Gelesen hat Sonja, die jetzt zur Sommerresidenz des Präsidenten des obersten Sowjets von Armenien am Sevan-See reisen möchte

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