Autorin: Anna Maria Kiosse Verlag: Laurence King Verlag, November 2017 Umfang: Paperback, 168 Seiten, 23 x 17 cm ISBN: 978-9-06369467- 8 Preis: 15 Euro

FUCK! Das prangt in großen Lettern auf dem Cover. Was ist das?! Ein Buch übers Fluchen. Gehören Sie zu all jenen, die Fluchen unangemessen, ungebildet, obszön und einfach überflüssig finden? Dann, liebe Marie Antoinette, lesen Sie nun bitte verfickt nochmal weiter oder verpissen Sie sich und essen Sie Kuchen.
Gesellschaftlich verachtet, von Mutti verboten und gleichzeitig doch allgegenwärtig und ein regelrechtes Kulturgut, das ist das Fluchen. Wir tun es andauernd, wir zählen es (Wikipedia) und ich feiere es in seinen besonders kreativen Auswüchsen: Gäbe es olympisches Gold im Fluchen, ich hätte es 2005-2012 Armando Iannucci und seinen Autoren für alle Staffeln der britischen Serie The Thick of It verliehen. Ich vermute bis heute, dass diese Comedy, welche den Politikbetrieb der britischen Regierung satirisch überspitzt darstellt, es aufgrund ihrer bunten Sprachakrobatik nie über den Ärmelkanal ins dauersynchronisierende Deutschland geschafft hat. Denn sie war einfach unübersetzbare Kunst. Was haben wir verpasst.
Meistens fluchen wir sogar unbewusst und müssen uns regelrecht dazu zwingen, es nicht zu tun. Wenn wir uns einen Zeh am Türrahmen stoßen, den Bus verpassen oder irgendwas kaputt machen. Der Alltag lädt zum natürlichen Fluchen ein, ganz automatisch und an dem Punkt wird es für Anna Maria Kiosse spannend. In ihrem Buch The F!$*@ing History of Swearing fragt sie, ob Fluchen ein Instinkt ist? Wann und warum es zum verpönten Verbot mutierte und was verdammt noch mal die Geschichte des Fluchens ist? Warum fühlt sich das Fluchen manchmal ganz fantastisch an?

Die 168 Seiten in englischer Sprache sind schnell gelesen, da 120 davon im eigenwilligen Design Kiosses gestaltet sind. Manchmal steht da auf zwei Seiten nur groß und fett BULLSHIT. Oder es folgen seitenweise Fotos von Prominenten, die der Welt ihre Mittelfinger (ein eigenes Kapitel in diesem Buch) gezeigt und sich dabei fotografieren haben lassen.
Teilweise wirkt es wie das Klischee-Notizbuch eines Killers aus einem Psychothriller oder wie ich mir so ein Kunstprojekt im Selbstverlag aus den 1980ern vorstellen würde. Sie merken also, das Buch macht richtig Spaß und ist ganz klar eine Bereicherung für jedes Bücherregal.
Kiosse illustriert auf den ersten 120 Seiten die wesentlichen Inhalte der Essays, die im Appendix folgen. Gefreut habe ich mich über George Carlin und seine in den USA in den 1970ern popularisierten sieben Wörter, die nicht im US-Fernsehen genannt werden dürfen: shit, piss, fuck, cunt, cocksucker, motherfucker und tits. Er wurde für das Halten seines Monologs vor Live-Publikum 1972 in den USA festgenommen und kommentierte dies in einem Interview 2004:
„It’s not a science. It’s a notion that they have and it’s superstitious. These words have no power. We give them this power by refusing to be free and easy with them. We give them great power over us. They really, in themselves, have no power. It’s the thrust of the sentence that makes them either good or bad.“

Interessant sind überdies vor allem die verschiedenen anstößigen Gesten der Welt, von der Concha in Südamerika über die Moutza, angeblich benutzt von Griechenland bis Pakistan und in Afrika oder die Five Fathers in arabischen Ländern.
Die teilweise wissenschaftlichen Essays am Ende des Buchs sind eine sinnvolle Ergänzung, obgleich die Entscheidung, sie in roter Schrift auf pinkes Papier zu drucken, der möglicherweise größte (bewusste) Affront des Werks, erschienen bei BIS Publishers im Laurence King Verlag, ist. Für eine weitere Edition sollte auch ein Lektor nochmals reinschauen und die zahlreichen Flüchtigkeitsfehler korrigieren. Da hat der Autor der unterirdischen Amazon-Rezension, welche die kreative One-Woman-Show Anna Maria Kiosse charmanterweise auf ihrer Webseite als ironische Empfehlung prangen hat, durchaus Recht. Kiosse ebenso, wenn sie damit schließt, dass wir alle mehr fluchen sollte. Das Fluchen Poesie sein kann. Dass es Stress und Schmerzen lindert, Spaß macht und es uns zu ehrlicheren und glücklicheren Menschen macht.
Fluchen Sie also los – and fuck you very much! Hier kann schon mal geblättert werden…
Gelesen hat Sonja und dabei den Falcon Code von US-Piloten kennen gelernt – Falcon One-One-Zero!