Web Design. The Evolution of the Digital World 1990–Today

Autoren: Rob Ford, Julius Wiedemann Verlag: TASCHEN, Oktober 2019  Umfang: Hardcover, 19.6 x 25.5 cm, 640 Seiten, mehrsprachig: Deutsch, Englisch, Französisch ISBN: 978-3-8365-7267-5  Preis: 40 Euro

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Flash verabschiedet sich aus unseren Browsern – in rund einem Jahr ist endgültig Schluss. Keiner wird diesem Plugin von Adobe, welches heute nur noch als nervige Sicherheitslücke wahrgenommen wird, eine Träne nachweinen? Doch! Rob Ford, Begründer der Favourite Website Awards (FWA), welche seit zwanzig Jahren innovatives Webdesign würdigen, setzt diesem Tool vor dessen Ende noch ein Denkmal.

Mit Web Design. The Evolution of the Digital World 1990–Today (TASCHEN) preist Ford die Flash-Jahre als die bisher kreativste Zeit des Internets. Seine Reise durch die vergangenen 30 Jahre visueller Evolution des Webdesigns zeigt eine gestalterisch innovative Kultur, die seit dem Niedergang von Flash, nicht mehr ganz dieselbe ist. „Without the rebels we’d still be looking at static websites with gray text and blue hyperlinks,” laut Rob Ford würden wir ohne diese kreativen Rebellen heute noch immer auf statische Webseiten mit grauem Text und blaue Hyperlinks blicken.

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Das Buch beginnt vor 30 Jahren mit den Anfängen des World Wide Web, zeichnet Perioden des wilden Experimentierens nach, hin zu den hoch funktionalen Browsern und Seiten der Gegenwart. Ford sieht die späten 1990er bis zur Mitte der 2000er als die goldenen Jahre kreativen Webdesigns. Es war die Zeit, als große Unternehmen bereit waren, enorme Summen in Webseiten zu investieren, die vor allem visuell beeindrucken sollten. Er listet diverse relevante Webseiten auf, die damals nicht nur Internetnutzer begeisterten, sondern auch wesentliche Designelemente und Mechanismen schufen oder inspirierten. So zum Beispiel Subservient Chicken (2004), die erste virale Seite im Netz. Burger King präsentierte den Nutzern einen Mann im Hühnerkostüm, der im Webcam-Look das tat, was Nutzer in ein Textfeld eingaben. Die zuvor gedrehten über 300 Kommandos umfassten u.a. Moonwalk, Travolta, Kotzen und Kissenwerfen. Damals etwas völlig Neues, fühlt sich diese Seite, denkt man an Memes und Chatbots, rückblickend als prophetisch an.

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HTML5 und die Smartphone-Ära ließen die Flash-Pioniere ihre Kunst außerhalb des Webs ausleben. Zwar existieren noch relevante HTML5-basierte Seiten, wie The Wilderness Downtown (2010), Arcade Fires Google Chrome Experiment, welches Ford als die größte und einflussreichste Webseite einer ganzen Dekade bezeichnet. Doch der Erfolg von Social Media, insbesondere Facebook, waren laut Ford der finale Sargnagel des Webdesigns. Die kreativen Risiken vergangener Webzeiten sind heute in anderen Medien, interaktiven Installationen und VR bzw. Augmented Reality zu finden.

Chronologisch aufgebaut illustriert das Werk anhand von über 200 Webseiten die Geschichte des Webdesigns und Internets. Die 21 Kapitel, die für jedes Jahr seit 1998 die besten Websites vorstellen, präsentieren zusätzlich Daten und Fakten zur Internetnutzung, inklusive Google-Insights und eine kulturelle Einordnung des Zeitpunkts von Weltgeschehen über Kino hin zu relevanter neuer Soft- und Hardware.

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Ein Buch zur Geschichte einer digitalen Entwicklung, ist das nicht das falsche Medium? Wer dies denkt, der findet selbstverständlich auch einen kurzen Einblick in die Inhalte des Buchs auf der interaktiven (Werbe)Seite.

Dass diese gedruckte Zeitreise mit stolzen 640 Seiten relativ leicht und handlich ausfällt, erleichtert die Lektüre ungemein. Dennoch hätte ich mir stärkeres Papier gewünscht, hatte ich beim Blättern doch fast durchweg die Sorge, die Seiten könnten einreißen. Mehr wäre hier drin gewesen. Nicht nur beim Papier, sondern auch thematisch und medial: Warum nicht das Buch digital erweitern und es mit einer App interaktiv erlebbar machen. Die Technik dafür gibt’s. Der Leser scannt mit seinem Smartphone die markierte Seite ein, die sich einem Thema, einem Designer oder einer „historischen“ Webseite widmet und erhält per AR-Ansicht aufrufbare Zusatzinformationen bzw. wird (wenn noch vorhanden) direkt zur Webseite geleitet. Was sonst ein Gimmick sein mag, hätte bei diesem Buch print und digital sinnvoll verschmolzen.

Trotz dieser verpassten Chance habe ich die Chronik mit dem sperrigen Titel mit Freude und in einem Zug durchgearbeitet und kann es jedem nur empfehlen, der sich für die vergangenen 30 Jahre Internetgeschichte begeistern kann. Trotz des englischen Titels ist das Buch im bei TASCHEN üblichen sprachlichen Dreiergespann Englisch, Deutsch und Französisch erschienen. Englisch ist die Hauptsprache und diese Webgeschichte ist gleichwohl sehr anglozentriert, der Großteil des Texts wurde jedoch in die beiden anderen Sprachen übersetzt.

Gelesen hat Sonja und wurde selbst als früher Millennial beim Anblick alter Screenshots diverser Seiten, Browser und Betriebssysteme regelrecht nostalgisch.

2 Kommentare zu „Web Design. The Evolution of the Digital World 1990–Today

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